MiNzE: Minimierung des CO2-Footprint durch angepasste Verfahrensentwicklung in der Prozesswasserbehandlung - Erprobung des MiNzE Verfahrens im getauchten Festbett
Leitung: | Dr.-Ing. Maike Beier |
E-Mail: | beier@isah.uni-hannover.de |
Team: | Arne Freyschmidt, M. Sc. |
Jahr: | 2021 |
Förderung: | BMBF – Förderprogramm KMU-Innovativ |
Laufzeit: | 12/2018 - 11/2021 |
Bei der Teilstrombehandlung hoch stickstoffhaltiger Abwässer wird in den letzten Jahren vermehrt die Deammonifikation eingesetzt. Dieses Verfahren zeichnet sich durch Energieeinsparungen bei der Belüftung sowie einen vollständigen Verzicht auf organischen Kohlenstoff aus, ist jedoch mit einer erhöhten Bildung und Emission des Treibhausgases Distickstoffmonoxid/ Lachgas (N2O) verbunden. Diese direkten Emissionen können die Reduktion der indirekten CO2e-Emissionen durch den verminderten Energiebedarf bei weitem übersteigen.
In diesem Zusammenhang wurde am Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfallwirtschaft der Leibniz Universität Hannover basierend auf Ergebnissen verschiedener Forschungsvorhaben ein Verfahren zur Reduzierung der Lachgasemissionen aus der Deammonifikation entwickelt. Das Minimized-Nitrous-Oxide-zero-Emission-Konzept (MiNzE) sieht dabei eine Minimierung der N2O-Bildung durch optimierte Betriebsbedingungen vor. Außerdem wird ein verminderter Gaseintrag bei der Belüftung mit dem Ziel einer reduzierten N2O-Strippungsrate angestrebt. Das ggf. in der flüssigen Phase akkumulierte N2O wird anschließend unter anoxischen Milieubedingungen über eine Denitrifikationsstufe biologisch zu gasförmigem Stickstoff reduziert.
In Kooperation mit der DiMeR GmbH wurde das MiNzE-Konzept im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsvorhabens MiNzE auf die Biofilmtechnik „Festbett“ übertragen und in einem halbtechnischen Biofilmsystem zur Behandlung hochbelasteter Teilströme erprobt. Neben der Untersuchung der Leistungsfähigkeit eines Festbettsystems zur Deammonifikation standen vor allem die Frage der potentiellen N2O-Emissionsreduzierung und die sich hieraus ergebenden Betriebs- und Regelkonzepte im Hinblick auf die technische Umsetzung sowie die Erprobung eines externen Belüftungsreaktors im Fokus der Untersuchung.
Im Rahmen der zweijährigen Verfahrenserprobung konnten wesentliche Erkenntnisse, die für eine Implementierung von Maßnahmen zur Minimierung der N2O-Emissionen deammonifizierender Biofilme erforderlich sind, gewonnen werden. Mit der Identifizierung relevanter Kennwerte sowie der anlagenspezifischen Anpassung der ASM-Modelle wurden relevante Informationen zur Verfahrensbewertung gewonnen. Damit ist ein wichtiger Schritt zur großtechnischen Umsetzung N2O-emissionsreduzierender Maßnahmen erfolgt.
Die wichtigsten wissenschaftlich-technischen Ergebnisse sind:
Deammonifikationsleistung Biofilm
Die Versuchsergebnisse zeigen, dass die Raumumsatzrate auch bei kontinuierlicher Belüftung (max. O2-Eintrag) und einer Stützung der Säurekapazität auf maximal 0,4 kg N/m³/d begrenzt ist. Dieser Raumumsatz ist niedriger als in anderen Systemen (üblich sind bis zu 1 kg N/m³/d). Eine weitere Steigerung durch zusätzliche Biofilmaufwuchsträger ist mit dem System (Festbett) nicht zu erreichen, da die Umsatzleistung durch den Sauerstoffaustausch begrenzt ist und eine dichtere Packung nur zu einer Reduzierung der effektiven Oberfläche führen würde.
N2O-Emission
In den Biofilmsystemen wurden grundsätzlich geringere N2O-Emissionen (1,1 – 9,5 %) als im mit suspendierter Biomasse betriebenen Vergleichssystem (6,6 – 16,2 %) gemessen. Da eine N2O-Bildung bei den untersuchten Hochlastsystemen nicht zu vermeiden ist (erneut bestätigt), zeigen die Projektergebnisse die Relevanz der Denitrifikation als N2O-Senke auf. Durch den im Biofilm entstehenden Sauerstoffgradienten bildet sich bei O2-Konzentrationen in der Flüssigphase bis 3 mg/l im Biofilminneren eine Denitrifikationszone aus, die als Senke wirken kann. Dem entgegen steht eine ggf. durch Hemmung oder Störung der Denitrifikation induzierte N2O-Bildung. Für die Bewertung bzw. Betriebsempfehlung ist damit immer die Netto-Bildungsrate zu betrachten. Dabei ist eine Kontrolle der HNO2-Konzentration (bzw. der Nitritkonzentration und des pH-Wertes) essentiell. So konnte beim Betrieb der halbtechnischen Versuchsanlage nur dann eine reduzierte Emission durch die parallel zur Nitritation etablierten Denitrifikation erreicht werden, wenn es nicht zu einer HNO2-Hemmung der N2O-Reduktase kam. Damit ist auch die Nitritreduktion im Biofilm ein wichtiger Prozess bei der Emissionsreduzierung, da während der Belüftung ein Abbau von Nitrit in den anoxischen Biofilmschichten stattfinden kann, der mit einer Reduzierung der HNO2-Konzentration einhergeht und so erst eine N2O-Denitrifikation ermöglicht wird. Unterstützt wird die Denitrifikation durch niedrige O2-Konzentrationen, da sich so größere anoxische Denitrifikationszonen ausbilden. Im Vergleich ergaben sich bei gehemmter Denitrifikation Emissionsraten von bis zu 8 % (N2O-N/NH4-N_ox), während bei optimiertem Betrieb Emissionsraten < 2 % (N2O-N/NH4-N_ox) erreicht werden konnten (Reduktion um 75 %). Weitere Reduzierungen durch ein weiter angepasstes Belüftungsregime sind möglich.
Denitrifikation als N2O-Senke
Die N2O-Messungen zeigen, dass eine N2O-Bildung unter den gegebenen Betriebsbedingungen (hohe Umsatzraten, geringe O2-Konzentrationen im Biofilm, ggf. hohe NO2-Konzentrationen) nicht vermeidbar ist, sodass geringe Emissionen nur mit einer N2O-Denitrifikation erreicht werden können. Aufgrund der im Vergleich geringen Frachten ist dafür bereits der beim Zerfall der abgestorbenen Biomasse freigesetzte Kohlenstoff ausreichend. Unterstützt wird die Denitrifikation durch niedrige O2-Konzentrationen, da sich so größere anoxische Denitrifikationszonen ausbilden; eine ggf. erhöhte N2O-Bildung wird durch die ebenfalls erhöhte Denitrifikationskapazität ausgeglichen. Infolge einer Hemmung der N2O-Reduktion durch HNO2 trug die Denitrifikation jedoch auch zur N2O-Bildung bei. Folglich ist die HNO2-Konzentration mit Blick auf die Emissionsreduzierung ein Schlüsselparameter, der durch die Kontrolle der Nitritkonzentration und des pH-Wertes reguliert werden kann; hier ist insbesondere auch der Betrieb als einstufige Deammonifikation vorteilhaft. Zudem kann der Nitritabbau in den anoxischen Zonen des Biofilms zu einer Verringerung der HNO2-Konzentration führen. Ein Vorteil des Biofilmsystems liegt dabei in der Etablierung einer simultanen Denitrifikation in direkter Nähe zum Ort der N2O-Bildung. So konnte das gebildete N2O umgesetzt werden, bevor es an die Wasserphase abgegeben und gestrippt wurde. Darüber hinaus limitiert der Diffusionsprozess das Ausstrippen des gebildeten N2O (nur das in der Flüssigphase gelöste N2O kann emittiert werden), sodass während der belüfteten Phase mehr N2O im System gehalten und schließlich abgebaut werden kann. Mit dem optimierten System wurde ein Emissionsfaktor von 2 % bei unveränderter NH4-Umsatzleistung erreicht. Dies entspricht einer Reduzierung der Emissionen um bis zu 75 % gegenüber dem Betriebszustand mit gehemmter N2O-Denitrifikation. Aufgrund der hohen Bedeutung der N2O-Denitrifikation wurden zur Bestimmung der kinetischen Größen der N2O-Bildung und des Abbaus während der Denitrifikation umfangreiche Batchversuche durchgeführt. So wurde insbesondere ein starker Einfluss geringer Sauerstoffkonzentrationen in Kombination mit erhöhten HNO2-Konzentrationen festgestellt; beim Vorhandensein geringer O2-Konzentrationen sank die HNO2-Konzentration, die eine N2O-Akkumulation verursachte, um bis zu 50%.
Blasenfreie Belüftung
Das Konzept der externen Belüftung in einer Säule mit Membranbelüftern und Rückführung des gesättigten Wassers ist als blasenfreie Belüftung einsetzbar. Für die beiden untersuchten technischen Möglichkeiten eines blasenfreien O2-Eintrags durch Rezirkulation (Speece-Cone und Belüftersäule) wurden im Projekt die maximalen Sauerstoffeintragsfrachten in Abhängigkeit der Rezirkulationsrate berechnet. Die Effizienz des O2-Eintragssystems ist dabei im Wesentlichen abhängig von der erreichten O2-Konzentration im Ablauf der externen Begasungseinheit, welche beim Speece-Cone etwa 6 % oberhalb derjenigen in der Belüftersäule liegt. Da sich die notwendige Pumpenenergie über die betrachteten O2-Konzentrationen nur geringfügig ändert, hat die hydraulische Aufenthaltszeit den Haupteinfluss auf den Gesamtenergieverbrauch. Hierbei wirkt sich eine lange Aufenthaltszeit positiv aus. Die erstellte CO2e-Bilanz zeigt, dass die höheren CO2e-Emissionen aus dem erhöhten Stromverbrauch für die Rezirkulation durch die eingesparten CO2e-Emissionen durch den reduzierten Lachgasaustrag überkompensiert werden.
Insgesamt können die CO2e-Emissionen durch die Anwendung des in diesem Projekt entwickelten und erprobten Betriebskonzepts um 40 % gesenkt werden. Dabei kostet eine eingesparte Tonne CO2e ca. 200 €.
Der vollständige Abschlussbericht des Forschungsprojektes kann hier heruntergeladen werden.
Das Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderprogrammes „KMU-Innovativ“ gefördert.